Samstag, 26. November 2011

Flashback: Musical Tenors, Grillo Theater Essen, 31. Oktober 2010

Ich hab den blöden Spruch mit dem „Telefonbuch vorsingen und trotzdem toll finden“ inzwischen einigermaßen überstrapaziert, aber er passt leider auch immer. Vor allem auf die vier Herren, um die es im Folgenden gehen wird.

Glücklicherweise haben weder Jan Ammann noch Christian Alexander Müller noch Mark Seibert oder Patrick Stanke Auszüge aus Telefonbüchern gesungen. Das Quartett nennt sich „Musical Tenors“ und genau das haben sie dann auch zum Besten gegeben: Musicals. Also hauptsächlich jedenfalls. 

Das Konzert begann mit dem Song „Limelight“ und schon allein vom Text her hätte es keinen passenderen Einstieg geben können:
„Limelight you were all i ever wanted since it all began
Limelight shining on me telling the world who i am…“

Der erste Musical-Block gehörte den drei Musketieren und folgenden Songs: „Heut ist der tag“, „Constance“, „Wo ist der Sommer“, „Engel aus Kristall“, „Wer kann schon ohne Liebe sein“ und wieder zurück zu „Heut ist der Tag“.

Danach hatte Mark sein erstes Solo zu singen, wofür er sich ausgiebig vom Publikum bedauern ließ. Die Dame in der Reihe hinter mir hat es sich nicht nehmen lassen, laut „Wir sind doch bei dir!“ durch das Theater zu rufen. Fremdschämen deluxe bei mir. Da wusste ich aber noch nicht, dass sie das später in der Show noch toppen würde. Mark hat sich auch nicht weiter aus dem Konzept bringen lassen und ein sehr ergreifendes „Draußen“ aus der Glöckner von Notre Dame vorgetragen.
Die ehrfürchtige Stimmung war allerdings schnell dahin, als die vier Protagonisten mit Zylinder und Gehstöcken bewaffnet auf die Bühne kamen. Sie sangen „In der Straße wohnst du“ aus My fair lady. Die einstudierte Choreografie klappte eher so na ja, aber gerade das war sehr charmant. Immerhin waren die Vier ja auch nicht angetreten, um uns den sterbenden Schwan vorzutanzen, sondern um zu singen. Im Anschluss an den Klassiker übrigens „The impossible dream“ und „Man of la Mancha“. ZU schön, wie Mark und Patrick sich als Sancho Pansa ihren Don Quixotes Jan und Christian ihre Freundschaft und Ergebenheit demonstrierten.  
Anschließend nahm Patrick am Klavier Platz und spielte „Du warst mein Licht“. Ein selbst geschriebener, sehr melancholischer Song. Während der Pause wurde wegen dieses Liedes immer wieder spekuliert, ob denn mit Sabrina alles in Ordnung wäre. Das spricht ja eindeutig dafür, wie überzeugend Patrick diesen Titel präsentiert hat!

Fingerschnipsend kamen die Vier danach auf die Bühne und animierten das Publikum, mitzuschnipsen. Soweit ich es beurteilen kann, haben das auch fast alle getan. Mir macht bei so was ja immer die Feinmotorik einen Strich durch die Rechnung, aber das ist ein anderes Thema. „More than words“ war jedenfalls der Song zum Schnipsen und mein anfängliches „Och nöööö… der ist so tot georgelt!“ verwandelte sich recht schnell in ein „Ökay… in DER Version...“.

Was folgte, war ein Gespräch darüber, was sie denn so täten, um Frauen rumzukriegen.
Ich weiß nicht, ob sie sich der Situationskomik bewusst waren. aber ich fand es unfassbar lustig, eine solche Frage in einem vollbesetzten Theater zu stellen, in dem gefühlte 99% der Zuschauer Frauen aller Altersklassen mit glänzenden Augen und verklärtem Lächeln waren, die diese Frage sicher mit einem einstimmigen „SINGEN!“ beantwortet hätten. Überraschenderweise hat aber keiner der Herren mit „Singen!“ geantwortet. Christian setzt da auf seinen hypnotischen Augen, Mark auf einen gekonnten Hüftschwung und Herr Stanke verlässt sich auf Frauenzeitschriften, die behaupten, die Spanier würden ihre Frauen mit klatschen rumkriegen. Als die Flamenco-Tänzerin zu „Maria“ auf die Bühne kam und die Herren gekonnt mit ihrem Tanz umgarnte, während die sie ungeniert anschmachteten, war aber sehr deutlich zu erkennen, wer da wen um den Finger wickelt.

Jan war als nächstes dran mit seinem Solo. Er erzählte davon, wie toll er es findet, Papa zu sein und widmete seinen Song dann auch seinem Sohn. Mein erster Gedanke war: „Oh Gott, jetzt wird’s peinlich.“. War es aber überhaupt nicht. Wobei mich hier nicht so sehr der Song an sich begeistert hat, sondern viel mehr die Geschichte.
Wahrscheinlich war Jan mit den Gedanken noch bei seinem Sohn, als die vier danach zusammen „Memory“ gesungen haben, aber nach einem Schlaflied darf man durchaus auch mal Tag und Nacht verwechseln.

Anschließend war Christian mit „Musik der Nacht“ an der Reihe und ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Weder Song noch Interpret gehörten bisher zu meinen Favoriten, aber... WOW. Das war unfassbar. Hab ich da im Sommer bei den Bad Hersfelder Festspielen irgendwas verpasst? War das tatsächlich der gleiche Typ, den ich als Tony in der West Side Story und als Jo in Carmen – ein deutsches Musical zwar toll aber nicht umwerfend fand?

Der letzte Song vor der Pause war „I believe in you“ und dafür hatten die Herren sich Maricel als Unterstützung geholt.

Nach der Pause folgten „Who wants to live forever“ und „The show must go on“ und direkt danach der nächste Müllereske Gänsehautmoment: „Einsam sind alle Sänger“. Ich muss zugeben, dass mich angesichts dieser gesanglichen Leistung ein bisschen dafür geschämt habe, ihn in Hersfeld nicht so toll gefunden zu haben, wie er es verdient gehabt hätte. Asche auf mein Haupt.

Auf Anhieb toll fand ich dagegen den nächsten Song: „Closer to heaven“ aus Gaudi. Ich kannte den Song vorher nicht und ich kann im nachhinein auch gar nicht sagen, wieso ausgerechnet er mich so mitgenommen hat.

Patricks „Wie wird man seinen Schatten los“ war super, genau wie das Solo von Maricel, die sich für „Mein Leben“ entschieden hatte, da sie gerade in Hagen die Lucy in Jekyll & Hyde spielt.

Aber dann...
Grease-Medley („Grease is the world“, „Mooning“, „Rock’n Roll Partyqueen“, „Those magic changes“). und der Saal kochte. Es war aber auch ZU lustig, wie die Herren ihrem Auftritt mit „Greased lightning’“ schließlich die Krone aufsetzten. Genau genommen waren die Kronen Elvis-Perücken und Sonnenbrillen, der krönende Abschluss war der Song trotzdem. Was hab ich gelacht.

Mark musste nach dem schweißtreibenden Ausflug in die 50er jahre erst mal seine Lederjacke ausziehen, bevor er sein zweites Solo singen konnte. Das – zugegeben relativ enge, weiße T-Shirt – nahm sich jemand in der Reihe hinter mir zum Anlass vernehmlich „Boah, zieh die Jacke wieder an, ich hyperventiliere ja schon!“ zu rufen. Keine Ahnung, ob die betreffende Dame mitbekommen hat, dass er „Love of my life“ zum Besten gegeben hat. Wenn nicht, weiß sie allerdings auch nicht, was sie verpasst hat.

Als nächstes gab es von allen Vieren „Am Ende bleiben Tränen“ und ab diesem Song blieben die Tränen auch tatsächlich bis zum Ende.
„Braver than we are“. Ich liebe Tanz der Vampire und ich liebe die roten Stiefel samt Gebet, aber wenn ich bis an mein Lebensende nur noch einen einzigen Song hören könnte, wäre es diese Version. Hach.
Danach natürlich Jan mit der Gier. Ich habe ihn das schon so unfassbar oft singen hören, aber irgendwie vergesse ich jedes Mal aufs Neue, während des Songs zu atmen. Genauso ging es mir während „The shades of night“ und vor allem während „This is the moment“. Ausgerechnet diese vier Songs hintereinander... für mich persönlich hätte der Abend in diesem Moment zu Ende gehen können.

Ging er aber glücklicherweise nicht, denn was hätten wir sonst noch verpasst! Ein zweisprachig vorgetragenes „Vivo per lei“ und als Zugabe „Save your kisses for me“, zu dem Glitzerhüte und überdimensionale Glitzer-Sonnenbrillen getragen wurden. Und als wäre das nicht schon albern genug, wurde dazu auch noch getanzt. Nicht irgendwas, nein, die Original-Choreografie vom Grand Prix 1976. Muss ich erwähnen, dass das Publikum getobt hat? Was ein spaß!

Zum Abschluss gab es dann noch „Look with your heart“ aus Love never dies und dann verließen die vier die Bühne in Richtung Publikum und verteilten Rosen an die Gäste. Eine schöne Geste und ein cleverer Schachzug, denn das Publikum hätte sicher mit endlosem frenetischem Jubel dafür gesorgt, dass sie heute noch Zugaben singen müssten.

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