Mr. Mushniks Blumenladen
liegt in einem schäbigen Vorstadtviertel und ist fast pleite. Als letzten Versuch,
das Geschäft doch noch zu retten, schlägt die naive angestellte Audrey vor,
eine spektakuläre Pflanze, die der verklemmte Verkäufer und Hobbyflorist
Seymour im Keller gezüchtet hat, ins Fenster zu stellen.
Und tatsächlich: Das
wundersame Gewächs zieht haufenweise Kundschaft an und das Geschäft läuft
besser denn je. Doch bereits nach kurzer Zeit lässt die Pflanze ihre Blätter
hängen und will nicht mehr gedeihen. Durch Zufall findet Seymour heraus, wie er
sie „gießen“ muss: Mit seinem eigenen Blut!
Die Pflanze wächst wieder
und der Blumenladen wird im ganzen Land berühmt. Als Seymour jedoch das Blut
ausgeht und Audreys Freund, der sadistische Zahnarzt Orin verschwindet,
überschlagen sich die irrwitzigen Ereignisse: Die Pflanze zeigt ihr wahres
Gesicht und plötzlich kämpfen alle ums blanke Überleben.
(Text: Programmheft des tic)
Ich bin immer wieder
begeistert, was das tic so auf die Beine stellt. In den vergangenen Jahren
wurden dort ausschließlich selbst geschriebene Stücke präsentiert, erst in
diesem Jahr hat mit dem „kleinen Horrorladen“ ein Klassiker den Weg auf die
Bühne gefunden.
Und anders als in den
meisten Aufführungen, in denen man Audrey zwo nicht zu Gesicht bekommt, ist die
gefräßige Pflanze hier sehr präsent – und hat die meisten Lacher auf ihrer Seite,
wenn sie immer wieder nach Essen verlangt, in gespielter Blutunterzuckerung jammernd
zusammenbricht und den gutgläubigen Seymour – seiner angebeteten Audrey zuliebe
- zum Mörder wider willen macht.
Ich kann gar nicht sagen,
in welcher Rolle mir Harald Tauber besser gefallen hat, als sadistischer Zahnarzt
oder eben als Audrey zwo. Beides war grandios gesungen und gespielt und so kann
ich ihm auch verzeihen, dass er sich bei den Zugaben direkt auf mich und meine
Sitznachbarin gestürzt und mir den Schrecken meines Lebens eingejagt hat.
Überhaupt fand vieles der
Handlung im Mittelgang statt, was sicher auch der „Größe“ des Theaters
geschuldet ist, aber den Zuschauern immer das Gefühl vermittelte, nicht nur zum
zuschauen verdammt zu sein.
Unglaublich beeindruckt
war ich von Kathrin Roppel, die von einigen zunächst aufgrund ihrer Figur belächelt
wurde. Es war aber schnell klar, dass eine solche Granatenstimme einen
entsprechenden Resonanzkörper braucht. Assoziationen zu Beth Ditto drängen sich
in dem Fall auf, aber in Sachen Stimmgewalt hätte Mrs. Ditto hier noch was zu
lernen.
Eigentlich ist es den
anderen Darstellern gegenüber ein bisschen unfair, wenn ich Harald und Kathrin
hier heraushebe, denn alle Rollen waren toll besetzt. Inga Jamry war, der Rolle
entsprechend, eine herrlich naive, sehr zerbrechliche Audrey mit piepsiger Stimme
und einem fatalen Hang zu den falschen Männern, Christoph Steinau war nicht nur
als Mr. Mushnik Opfer der Pflanze, sondern musste auch als Mrs. Luce mit
Fischaugen-Brille, Dauerwellen-Perücke, dunklen Socken in hellen Damenschuhe
und unrasierten Beinen unterm Alte-Jungfern-Kleid sein Leben lassen. Christian
Bulwien hatte sicher die meisten Kostümwechsel des Abends, begeisterte aber als
Karry Ling, masochistischer Patient, schmieriger Reporter Skip Snit und als
Bernstein gleichermaßen. Michael Fajgel gab einen trotteligen Seymour, der sich
im permanenten Kampf mit seiner Brille befand und seine Audrey schüchtern für
sich zu begeistern versuchte. Nicht vergessen möchte ich auch Dorothea
Proschko, die als Chiffon zusammen mit Kathrin als Crystal das Geschehen auf der
Bühne stimmgewaltig und im Glitzerkostüm untermalte.
Irgendwie reizen mich im Moment
die kleineren Produktionen viel mehr als alles, was Stage so auf die Bühne
bringt. „Tanz der Vampire“ immer außen vor, versteht sich. Und nach dem, was
ich gestern gesehen habe, weiß ich wieder, wie richtig ich liege.
Deswegen freut es mich
besonders, dass es im Katielli Theater in Datteln ein paar zusätzliche Termine
von „tick, tick… BOOM!“ geben wird, so dass ich doch noch die Chance habe, das
Stück zu sehen.
Castliste:
Seymour: Michael Fajgel
Audrey: Inga Jamry
Mr. Mushnik: Christoph Steinau
Zahnarzt/Audrey II: Harald Tauber
Chiffon: Dorothea Proschko
Crystal: Kathrin Roppel
Kunde, Showmaster etc.: Christian Bulwien