Dass ich für die zweite Vorstellung der "Comedian Harmonists" überhaupt ein Ticket bekommen habe, grenzt an ein Wunder, denn auf der Seite des Theaters prangt hinter jeder Vorstellung ein fettes AUSVERKAUFT.
Und ich weiß, warum.
Die Geschichte der Comedian Harmonists beginnt im Dezember 1927 mit einer Anzeige, in der Harry Frommermann nach Sängern für ein Vokalensemble ähnlich wie "The Revellers" sucht. Er findet als Ersten Robert Biberti, mit Ari Leschnikoff, Erich Collin, Roman Cycowski und Pianist Erwin Bootz sind die Comedian Harmonists schließlich komplett.
Sie proben ein Jahr lang nachts in der Dachkammer von Harry Frommermann, ohne nennenswerte Erfolge verzeichnen zu können. Das ändert sich schlagartig, als die Gruppe ans große Schauspielhaus geholt wird.
Der kometenhafte Aufstieg wird allerdings mit der Machtergreifung Hitlers gestoppt, da die Gruppe zur Hälfte aus jüdisch stämmigen Mitgliedern besteht. Man erteilt ihnen ein Auftrittsverbot, so dass sie gezwungen sind, im Ausland aufzutreten. Letzen Endes führt das zum Bruch, weil die Musiker, die nach Deutschland zurückkehren könnten, nicht weiter im Ausland leben können oder wollen.
Nach ihrem letzten Konzert haben die sechs Musiker sich nie wieder in dieser Konstellation getroffen, obwohl alle den Krieg überlebt haben.
Nach ihrem letzten Konzert haben die sechs Musiker sich nie wieder in dieser Konstellation getroffen, obwohl alle den Krieg überlebt haben.
Das Bühnenbild bestand ausschließlich aus überdimensionalen, antiken Fotorahmen, in dem sich einzelne Szenen abspielten, einem Flügel und einer Plakatwand. Immer wieder mit neuen Plakaten beklebt, war sie die Orientierung, wo man sich zeitlich befand. Zudem wurde hier auch der Wendepunkt der Geschichte überdeutlich, als der SA-Offizier die Konzertankündigung mit einem roten Judenstern beschmiert nämlich.
Die Kostüme passten immer perfekt zur jeweiligen Situation. Die einfachen Hosen, Hemden und Strickjacken, während die Herren in Frommermanns Dachkammer probten, die glamorösen weißen Fracks und Zylinder auf dem Höhepunkt der Karriere und die dezenten Hüte und einfachen Trenchcoats in der Szene, als die Herren sich voneinander verabschieden.
Alle Fotos: MiR |
Ziemlich beeindruckt hat mich der Gesang. War ich anfangs nicht sicher, ob Lieder, wie "Mein kleiner grüner Kaktus" und "Veronika, der Lenz ist da" mich abendfüllend begeistern würden, war ziemlich schnell klar, dass sie das sehr wohl können. Denn wer - so wie ich - nur diese beiden Songs im Hinterkopf hat, unterschätzt das Repertoire, den Wortwitz, vor allem aber das gesangliche Können der Gruppe, gewaltig. Und das gilt für die historischen Vorbilder genauso wie für die Protagonisten des Abends.
Jeder einzelne hat mich in seiner Rolle mehr als begeistert. Der immer ein bisschen arrogant wirkende Erwin Bootz (Askan Geisler), der mit der typischen Berliner Schnauze ausgestattete Robert Biberti (Ralf Rhiel), der aufbrausende Harry Frommermann (Michael Dahmen), der Akademiker Erich Collin (Markus Schneider), der lebenslustige Ari Leschnikoff (Mark Weigel) und der melancholische Roman Cycowski (Piotr Prochera).
Nicht zu vergessen natürlich: Lutz Reichert, der die zickige Vermieterin in Kittelschürze, den schlitzohrigem Manager, den Nazi-Schergen, der sich erstmal ein Autogramm sichert und die gefühlten 20 weiteren Rollen zu echten Highlights macht.
"Comedian Harmonists" ist ein eher leises, melancholisches Stück, in dem ich selten laut gelacht, dafür aber immer ein bisschen gelächelt habe. Und diese stille Freude hält bis heute an.
Besetzung:
Ari Leschnikoff - Marc Weigel
Erich Collinn - Markus Schneider
Harry Frommermann - Michael Dahmen
Roman Cycowski - Piotr Prochera
Robert Biberti - Ralf Rhiel
Erwin Bootz - Askan Geisler
Conférencier - Lutz Reichert
Musikalische Leitung / Klavier: Askan Geisler
Inszenierung: Sandra Wissmann
Bühne: Britta Tönne
Kostüme: Andreas Meyer
Choreografie: Kati Farkas
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